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Es kracht unter den Steigeisen. Diesmal stand ich wohl doch nicht so stabil drauf wie gedacht. Aber der Pickel hält im blauen Eis, yeah. Ein paar Züge noch und ich hab es geschafft. Alfi und Stephanie feuern mich noch einmal an. Und dann die glänzenden Augen – die angestrebte Route habe ich tatsächlich bis zum Ende durchgezogen.
Eisklettern ist eine Sportart, die mich schon länger gereizt hat und immer, wenn ich Dokumentationen sehe, wo man jemandem am Eis klettern oder laufen sieht, bin ich ganz fasziniert. Lustig, hasse ich doch die Kälte, aber das klare und blau schimmernde Eis beeindruckt mich irgendwie.
Und nun war es endlich so weit, dass ich im Pitztal unterwegs war, um selbst einmal zu sehen, wie es so ist, auf einer vereisten Wand zu klettern.
Pressereise, Einladung
Das Pitztal – ein Eldorado für Eiskletterer
Das Pitztal in Tirol, Österreich bietet jeden Winter ca. 40 Wasserfälle, die so weit vereisen, dass man auf ihnen klettern kann. Auf diesen natürlichen Wasserfällen gibt es viele tolle Routen und Profis werden hier voll auf ihre Kosten kommen.
Eisklettern in der Taschachschlucht
Ein weiteres Eiskletter-Paradies im Pitztal, das dank seiner Talnähe super erreichbar ist, ist die Taschachschlucht, ein Herzensprojekt vom Pitztaler Bergführer Alfi Dworak, der die Schlucht Jahr für Jahr gemeinsam mit dem Tourismusverband Pitztal für die Eiskletterfans vereist. Insbesondere für Einsteiger, die die Basics lernen wollen, bietet sich die Schlucht perfekt an. Hier gibt es viele Einsteigerrouten, an denen man das Material kennenlernen kann. Die Einsteigerrouten sind nicht ganz so schwer, hier kann man sich wunderbar herantasten. Aber auch für Profis wird hier in der Schlucht einiges geboten, an den majestätischen großen Wassersäulen lässt es sich „vertical up“ klettern.
Am hinteren Ende der Schlucht befinden sich zudem ein paar natürliche Wasserfälle, wo wir auch einige Kletterer vorfinden.
Die Taschachschlucht als „Übungspark fürs Eisklettern“ bietet einige Vorteile:
- die Seile lassen sich von oben in die Schlucht werfen, weshalb man nicht unbedingt im Vorstieg klettern bzw. Eisschrauben setzen muss
- keine Lawinengefahr
- das Eis wird regelmäßig kontrolliert, ob die Bedingungen passen
- Talnähe
Bei guten Bedingungen am Wochenende kann es in der Schlucht schon sehr voll werden. Aktuell ist eine weitere, größere Vereisung der Schlucht in Planung. Das wäre natürlich ein absolutes Highlight. Aktuell stemmt Alfi das alles alleine und ich ziehe meinen Hut vor ihm für den Einsatz, den er jährlich zeigt, um die Schlucht zu vereisen.
Tipp: In der Schlucht steht eine kleine Kasse für freiwillige Spenden – haut doch für die Arbeit von Alfi ein paar Euro rein 🙂
Eiskletterkurse im Pitztal
Im Pitztal werden den gesamten Winter über Eiskletterkurse angeboten, egal ob für Anfänger oder Fortgeschrittene. Für Anfänger sind Kurse zum Einstieg unbedingt empfohlen. Man lernt:
- Umgang mit Steigeisen, Pickel
- richtig sichern am Eis, allgemein richtig sichern lohnt sich, bereits zu können
- Klettertechnik am Eis
- eventuelle Gefahren (Lawinen, brüchiges Eis)
- Eisschrauben setzen & korrekter Vorstieg
Buchen könnt ihr im Pitztal die Eiskletterkurse direkt bei Alfi (sehr empfehlenswert) unter alpine-adventure.at oder bei den Pitztaler Bergführern.
Meine erste Erfahrung am Eis
Alfi, unser Guide, überreicht uns am Parkplatz unser Equipment. Nach den ersten Hürden für manche von uns, nämlich die Steigeisen korrekt anzuziehen, spazieren wir vom Parkplatz dem Bach entlang immer tiefer in die Schlucht. Als die ersten vereisten Wasserfälle in Sichtweite kommen, hört man es von allen Gruppenteilnehmern „oooh“ und „Wow, und da sollen wir rauf?“. Und ja, auf den ersten Anblick wirken die Wasserfälle unbezwingbar, aber an den beiden Tagen, die wir mit Alfi unterwegs sind, lernen wir unglaublich schnell, uns möglichst elegant und flink auf den vereisten Flächen zu bewegen.
Gestartet wird mit den Basics und der korrekten Fußtechnik. Beim Eisklettern sind die Steigeisen die besten Freunde des Kletterers und mit guter Fußtechnik und Grundvertrauen benötigt man weniger Kraft in den Armen. Die ersten paar Schritte sind ungewohnt. Und das soll jetzt echt halten? Ich bin skeptisch, aber versuche aus den Übungen möglichst viel mitzunehmen. Als nächstes lernen wir, die beiden Pickel richtig einzusetzen. Und dann der erste Versuch, Hände und Füße zu kombinieren. Da wir in unserer Gruppe viele erfahrene Fels-/Hallenkletterer haben, können wir uns die Einschulung vom korrekten Sichern sparen und direkt loslegen, im Nachstieg einige leichte Routen zu klettern.
Die ersten Schritte fühlen sich schon gut an. Und so kämpfe ich mich ein paar Meter nach oben und dann plötzlich stehe ich vor einer Eisplatte, die für mich unüberwindbar wirkt. Ich erinnere mich an die Technikschulung mit Alfi und zack-zack-zack irgendwann ist es geschafft. Ich bin begeistert. Was war das bitte für eine coole Erfahrung? Also abseilen, kurze Pause, ein Gruppenmitglied sichern und weiter geht’s. Die zweite Route wirkte von unten unüberwindbar, aber ich fühle mich bereits viel sicherer und bin flott am Top angekommen. Und so geht es weiter mit den leichteren Routen, bis Alfi stolz verkündet, dass er uns bei einer der senkrechten Wasserfälle ein Seil gelegt hat, da wir bereits solche Fortschritte gemacht haben. Mit gemischten Gefühlen schnappen wir unsere Rucksäcke und stapfen Alfi nach, um zu begutachten, wo wir nun hoch sollen.
Steil nach oben
Ich bin begeistert, das Eis schimmert hier blau und ich freue mich auf die Herausforderung. Nachdem ein paar Gruppenmitglieder die Route geschafft haben, bin ich an der Reihe und muss relativ schnell feststellen, dass diese senkrechte Wand mit unseren Einsteigerrouten nicht vergleichbar ist. Schritt für Schritt kämpfe ich mich nach oben und bin wirklich mit meiner Kraft am Ende. Aber es ist genial und stolz wie Oskar werde ich abgeseilt. Ich beobachte noch die anderen und versuche mich noch einmal an einer Route, aber die Kraft ist am Ende. Alfi zeigt uns noch ein paar Tricks, von denen ich mir vornehme, sie am nächsten Tag zu befolgen.
Am zweiten Tag bin ich mir nicht sicher, ob ich mich überhaupt bewegen kann, der Muskelkater sitzt tief, aber die Motivation ist hoch und so starten wir sofort mit ein paar Routen. Die Tricks von Alfi vom Vorabend helfen mir extrem, ich fühle mich inzwischen wirklich sicher und festige nach und nach das Gelernte, anfangs wieder auf etwas leichteren Routen, später dann noch einmal an der Route, an der ich am Vortag gescheitert war – und diesmal schaffe ich es, auch wenn ich ein paar Pausen benötige.
Eisklettern im Vorstieg
Bisher waren wir ja immer im Nachstieg geklettert, das heißt das Sicherungsseil war bereits gespannt und wir mussten „nur“ klettern. Im Vorstieg sieht das schon wieder alles ganz anders aus. Da Eis ja immer in Bewegung ist, gibt es hier keine Fixpunkte, man muss sich mit sogenannten Eisschrauben die Anker selbst setzen. Wir versuchen uns an den Eisschrauben und ich muss feststellen, dass das Eindrehen dieser doch einiges an Übung verlangt. Ein paar der Gruppenmitglieder versuchen sich am Vorstieg mit gesetzten Schrauben.
Irgendwann wird es spät, die Muskeln sind müde und so packen wir zusammen und haben uns das Abendessen mehr als verdient.
Was benötigt man für das Eisklettern?
Wer den Text aufmerksam gelesen hat, dem wird schon aufgefallen sein, dass man hier doch ein bisschen Material mitbringen muss.
- Steigeisenfeste Schuhe & Steigeisen
- Pickel
- Klettergurt
- Sicherungsseil
- Sicherungsgerät (am besten ist hier ein Tube, mit dem Grigri hatten wir wegen dem teilweise vereisten Seil eher Probleme)
- Eisschrauben (Stahl & Aluminium) & Expressen
- Handschuhe & Ersatzhandschuhe
- Helm & dünnes Stirnband für unter den Helm
Bekleidungstechnisch empfehle ich Schiunterwäsche & Schisocken, oben dann Zwiebellook (also Pullover und mehrere Jacken), unten eine Schi / Tourenhose, um die einem nicht leid ist – mit den Steigeisen kann es schon mal passieren, dass man in der Hose hängen bleibt und Löcher reinfrisst….
Muss man bereits klettern können, um Eisklettern zu gehen?
Jein. Ich sage einmal so: Grundsätzlich kann jede halbwegs bewegliche Person eisklettern. Wer bereits ein bisschen die Bewegungsabläufe vom Klettern intus hat, tut sich vermutlich etwas leichter.
Der Hauptgrund, weshalb ich sagen würde, dass sich Klettererfahrung lohnt, ist eigentlich wegen dem Sichern. Man spart sich viel Zeit, wenn man nicht auch noch lernen muss, wie man korrekt sichert. Außerdem fühlt sich der, der von dir gesichert wird, sicherlich wohler, wenn er weiß, dass hier bereits Erfahrung im Sichern vorhanden ist. Wobei Alfi immer darauf geachtet hat, dass die Personen, die weniger Sicherungserfahrung haben, nie alleine sichern.
Übernachten im Pitztal
Das Pitztal ist ein wirklich wunderschönes Tal, ich war bereits einige Male dort und hier gibt es auch viele tolle Übernachtungsmöglichkeiten in Pensionen und Hotels. Wir waren diesmal im Hotel Sonnblick untergebracht und waren absolut begeistert von der heimeligen Einrichtung, den liebevollen Besitzern und dem fantastischen Essen. Dazu kommt eine tolle kleine Saunalandschaft, in der man nach einem kalten Tag am Berg gerne entspannt. Im direkt angrenzenden B&B Elisabeth gibt es ebenso charmante Zimmer und Chalets.
Weiter Unterkünfte in Sankt Leonhard im Pitztal findet ihr auf booking.com.
Mein Fazit zum Eisklettern in der Taschachschlucht
Zitat Alfi „Bei manchen von euch hab ich die Augen glänzen gesehen“ und ich würde mal behaupten, dass ich einer dieser Kandidaten war. Wow, was für eine krasse Erfahrung, ich würde sofort wieder gehen. Die Gefahren beim Eisklettern in der freien Wildnis sind nicht zu unterschätzen, in der Schlucht mit den fixen Anseilplätzen habe ich mich wohl gefühlt. Bergführer Alfi hat es uns auch mit klassischem Tiroler Charme noch etwas toller gemacht. Wer Eisklettern einmal probieren möchte, dem würde ich definitiv die Taschachschlucht ans Herz legen.
Übrigens: Wer im Sommer ins Pitztal möchte – auf meinem Blog gibt es einen Beitrag zur Kaunergrathütte und einen weiteren zur hochalpinen Tour auf die Verpeilspitze. Das war vielleicht ein Abenteuer!